Theater
Theater: Die zwölf Geschworenen (24.01.2025)
Süddeutsche Zeitung 06.11.2024: Kritik zu DIE ZWÖLF GESCHWORENEN"
„Die zwölf Geschworenen“ im Münchner Zentraltheater: Das bessere Amerika als Gegenbild
Kritik von Egbert Tholl, München
Während der Aufführung kann man noch hoffen. Dieses Stück am Tag der Wahl in den USA zur Premiere zu bringen, ist schon ziemlich großartig, weil es ein Gegenbild zur Hysterie, zu den Lügen und Nichtwahrheiten zeigt, unter denen die amerikanische Gesellschaft ächzt. Und denen sie sich offenbar willfährig ausliefert. „Die zwölf Geschworenen“ sind ein ideales Beispiel dafür, wie Demokratie funktionieren kann, wie komplexe Sachverhalte im Reden darüber aufgedröselt werden können, wie Gruppendynamik funktioniert und wie das geht, mit Würde und Anstand miteinander umzugehen. Jetzt spielt Mara Widmann „Die zwölf Geschworenen“ im Zentraltheater. Und zwar alle zwölf. Ganz allein ist sie nicht, sie hat Dennis Kharazmi als partielles Gegenüber. Die Geschworenen aber ist sie ganz allein und liefert damit ein Bravourstück der Schauspielkunst.
Am Tag nach der Wahl wirkt das Stück wie die Chimäre eines besseren Amerikas. Berühmt wurden „Die zwölf Geschworenen“ durch den Film von Sidney Lumet von 1957, mit Henry Fonda in der Hauptrolle. Drei Jahre zuvor hatten Lumet und der Autor Reginald Rose den Stoff als Fernsehspiel herausgebracht, 1997 gab es eine dem Original stark verpflichtete Neuverfilmung mit Jack Lemmon und Armin Mueller-Stahl, bei Weitem nicht die einzige Adaption. Die Uraufführung der Theaterfassung von Horst Budjuhn fand 1958 an den Münchner Kammerspielen statt. Darum geht’s: Eine wie üblich zufällig zusammengestellte Jury hat darüber zu entscheiden, ob ein 19-jähriger Puerto-Ricaner seinen Vater erstochen hat. Es gibt ein paar Indizien wie die Mordwaffe, es gibt zwei Zeugenaussagen. Und es gibt den „begründeten Zweifel“ des Geschworenen Nummer 8. Im Film spielt keine einzige Frau mit. Mara Widmann erkundet nun dieses Männlichkeitsgefüge, die detaillierten Beschreibungen der zwölf. Das geht nicht ohne ein bisschen Persiflage, und man kann sich gut vorstellen, welche Freude Widmann und die Regisseurin Lea Ralfs dabei hatten. Es gibt einen kurzen Ausschnitt aus dem Film, eine abenteuerlich verzerrte Version der US-Hymne, am Ende singt Widmann zauberhaft „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros. Davor gelingt es ihr verblüffend, jeder Figur eine Eigentümlichkeit mitzugeben, jeden Herrn plastisch zu gestalten und damit die Haltungen, die Argumente, das Denken erfahrbar zu machen. Zu schnell ist die Aufführung vorbei, man könnte ewig darin verweilen. Gerade jetzt.
Zentraltheater München: Harold und Maude (26.04.2024)
Harold und Maude erzählt die Liebesgeschichte eines todessüchtigen, neurotischen Achtzehnjährigen aus gutem Hause und einer vitalen, lebensfrohen und impulsiven Neunundsiebzigjährigen, einer "unwürdigen Alten", die in gestohlenen Autos durch die Stadt rast und in einem Haus voller bizarrer Erinnerungsstücke am Rande der Stadt lebt. Harolds wohlhabende und oberflächliche Mutter versucht ihren Sohn über eine Heiratsagentur mit jungen Frauen zu verkuppeln, was aber wegen der inszenierten Selbstmordversuche Harolds regelmäßig misslingt. Gleichzeitig entwickelt sich zwischen Harold und Maude eine Liebesbeziehung jenseits jeglicher gesellschaftlicher Konventionen. Maude lehrt Harold einen neuen Blick auf die Welt und das Leben und bis zu Maudes Tod erlebt das sonderbare Paar schwarzhumorige Situationen voll von grotesker Komik, zugleich aber auch von melancholischer Poesie und Zärtlichkeit. Gemeinsam erleben sie eine Zeit der Liebe, des Lernens und des endgültigen Abschiednehmens.
Eine Inszenierung des "Zentraltheater München" unter der Regie von Lea Ralfs. Darsteller/innen: Carla Becker, Connor Krause, Yana Robin la Baume
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